In der Antike galt sie als Glücksbringer oder wurde dem siegreichen Olympioniken überreicht, heute ist sie zumindest in unseren Breitengraden nach EU-Norm exakt vermessen - die Wurst. Man mag sie Würstel, Wurscht oder Worschd nennen, die Fakten bleiben zunächst einmal gleich: Wurst ist in Därme gefülltes Fleisch. Ob Natur- oder Kunstdarm spielt für den Geschmack keine Rolle. Streng genommen sind auch der Pfälzer Saumagen und das schottische Haggis eine Art Wurst, da die vorbereitete Masse in den Magen gefüllt und dann gegart wird.
Man unterscheidet die Wurstsorten nach ihrem Herstellungsverfahren. Das Brät für Rohwurst wird aus rohem Fleisch hergestellt, dem man Gewürze und Speck zugibt. Diese Wurst muss einige Wochen reifen und kann im Anschluss geräuchert werden. Typische Beispiele für eine Rohwurst sind Mettwürste, Zervelatwurst und Landjäger. Brühwurst wird, wie der Name schon sagt, in Wasser gegart. Das Brät ist fein, die Wurst kann heiß geräuchert werden. Typische Brühwürste sind Mortadella, Wiener Würstchen, Weißwurst und auch der Leberkäse in weitestem Sinne. Kochwurst wird aus vorher gekochten Zutaten hergestellt, die in den meisten Fällen überwiegen. Es gibt Ausnahmen, bei denen die rohen Zutaten vorherrschen, so wie Leberwurst oder Blutwurst. Allen gemein ist die Tatsache, dass sie nach dem Verfüllen eben noch einmal gegart werden.
Die Füllung der Wurst
Das sogenannte Brät kann theoretisch aus dem Fleisch jeder Tierart bestehen. Rind und Schwein sind bei uns die gängigsten Sorten, danach kommt Geflügel. Lammwürste sind Spezialitäten der arabischen und der südfranzösischen Küche, während Fischwurst keine riesige Fangemeinde gewonnen hat. Grundsätzlich enthält das Brät Speck, Fleisch, Salz und Gewürze. Blut und Innereien, Nüsse, Hochprozentiges oder Grütze – jede Region hat ihre Spezialfüllung, ihre geheime Rezeptur für die „beste“ Wurst.
Eine Frage des Geschmacks
Eine Spezialität aus dem Nordwesten Deutschlands sind die Pinkel, die es traditionell zum Grünkohl gibt. Die geräucherte Wurst aus Speck, Grütze und Schweinefleisch gibt es in Varianten mit wechselnd hohem Fleischanteil. Und obwohl es inzwischen auch Pinkel-Grillwürste gibt, schmeckt diese salzige, rauchige Wurst am besten im Winter, wenn es draußen knackig kalt ist. Die Aalrauchmettwurst aus dem hohen Norden hat einen irreführenden Namen. Sie wird nicht aus Aalen hergestellt, sondern aus Schweinefleisch und Schweinespeck. Die streichfähige Mettwurst wird kalt geräuchert, und zwar im Aalrauch, der den Würsten eine goldgelbe Farbe verleihen soll. Die Currywurst und Berlin gehören einfach zusammen. Ausgelöst durch den Roman eines deutschen Schriftstellers, machen die Hamburger den Berlinern inzwischen die Erfindung der beliebten Wurst streitig. Fest steht, dass die Berlinerin Herta Heuwer sich 1958 die Spezialsoße patentieren ließ und damit offiziell als Erfinderin der Currywurst gilt. Der Siegeszug der Wurst wird begleitet von vielfältigen Streitigkeiten: Schreddern wie im Ruhrpott oder geschnitten mit der Schere wie in Berlin? Auch die beste Beilage variiert je nach Region. In Berlin ist es die Schrippe oder eine Scheibe ungeröstetes Toastbrot, im Ruhrgebiet sind Pommes der Favorit. Noch stärker scheiden sich die Geister an der Frage, ob die perfekte Currywurst mit oder ohne Darm gefertigt wird. Es gibt eine Volkswagen-Currywurst, die der Autohersteller erfolgreich vertreibt, und ein Currywurstmuseum. Keine Frage, diese Wurst hat es in sich. Thüringer Rostbratwürstchen wurden bereits 1404 urkundlich erwähnt. Rund 170 Jahre später schaffen es auch die Nürnberger Rostbratwürstchen auf ein offizielles Dokument, als sich der Rat der Stadt über den Wucherpreis für die winzigen Würstchen beschwert. Denn während die Thüringer mindestens 15 cm lang sein (ja, da sind sie wieder, die EU-Verordnungen), misst eine damals wie heute fingerlange Nürnberger nur 7 – 9 cm. Dafür passen aber auch gleich drei Stückin ein Brötchen, wie es die Tradition vorschreibt. Führend im deutschen Wurstreigen sind übrigens die Bayern, die eine höhere Dichte an Metzgern pro Kopf haben als alle anderen Bundesländer. Die bayerische Wurstspezialität schlechthin ist die Weißwurst. Kalbfleisch, Schweinespeck und Petersilie sind die geschmacksgebenden Bestandteile. Sie werden in heißem, nicht kochendem Wasser gegart und traditionell mit süßem Senf serviert. Der Verzehr erfordert einige Übung und ein nicht allzu heikles Vorgehen. Weißwürste verspeist man ohne den Darm, und um möglichst schnell an die Wurstmasse zukommen, „zuzelt“ man die bayerische Spezialität. Dazu nimmt man die Wurst in die Hand und saugt das Brät heraus. Das ist nicht schön, aber effektiv. Eleganter wirkt die Methode, die Weißwurst längs zu halbieren und das Fleisch mit Messer und Gabel aus dem Darm zu lösen. Damit gibt man sich jedoch eindeutig als Tourist zu erkennen.
Deutschland, das Wurstparadies
Rund 1500 Wurstsorten gibt es allein in Deutschland, das damit eine Führungsposition in Sachen Wurstvielfalt behauptet. 42 % des gesamten Fleischkonsums entfallen in Deutschland auf die Wurst. Die Liebe der Deutschen spiegelt sich in Redensarten und Sprichwörtern wieder; Bratwurst und Sauerkraut prägen bis heute das Bild der Deutschen im Ausland. Wir wären allerdings nicht in diesem Lande, gäbe es nicht seit Jahrhunderten bereits Erlasse und Vorschriften über die Zubereitung. Heute gibt es geografisch geschütze Bezeichnungen für Würste, zum Beispiel Frankfurter, und die Herstellung ist bis ins kleinste Detail geregelt. Länge, Zusammensetzung, Gewürzzubereitung, Durchmesser – es gibt nichts, wofür es beim professionellen Wursten keine Vorschrift gäb. Bereits im Mittelalter begannen die Ratsherren, die Zusammensetzung zu regeln. Der früheste bekannte Erlass stammt aus dem Jahre 1256. Die Landshuter Ratsherren regelten darin, dass die Würste nur au s bestem Schweinefleisch hergestellt wurden. Qualitätswurst aus deutschen Landen war bereits im 18. Jahrhundert ein Exportschlager: Mettwurst aus Göttingen schaffte es bis nach Russland und Indien. In diesem Sinne: Gut Wurst! Autor: Gunda Plewe |